Holunder (Sambucus) ist eine Gattung der Familie der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae), welcher wiederum mehrere Arten angehören. Im Allgemeinen Sprachgebrauch bezieht sich die Bezeichnung Holunder meist auf den Schwarzen Holunder (Sambucus nigra), welcher gleichzeitig die mit Abstand häufigste Art darstellt und auch diejenige ist, die wir für unseren Frohlunder verwenden. Im Folgenden wird der Einfachheit halber Holunder als Bezeichnung verwendet.


Holunder ist eine der häufigsten Straucharten in Mitteleuropa. Darüber hinaus findet er in Westsibirien, dem Kaukasus, Kleinasien und Nordafrika Verbreitung. Geringe Ansprüche an Standorte, schnelles Wachstum und ein relativ kurzer Generationswechsel ermöglichen eine schnelle Verbreitung und machen Holunder zu einer typischen Pionierpflanze. So besiedelt er häufig sogenannte Ruderalflächen. Darunter werden Standorte verstanden, welche gerade anfangen, nach einem störenden Ereignis zu verwildern. In urbanen Umgebungen findet man Holunder häufig auf ungenutzten Abbruchflächen (Industriebrachen) und entlang von Straßen, jedoch auch als Zierbaum in Parks und Gärten. Auf dem Land ist er häufig auf Sturmholz- oder Rodungsflächen im Wald sowie entlang von Wegen und an Waldrändern anzutreffen. Darüber hinaus steht Holunder auch oft an Häusern und in Vorgärten. Vor allem an Einsiedlerhöfen wurde er in früheren Zeiten gepflanzt, weil ihm nachgesagt wurde, er könne Böse Geister fern halten.



MEDIZINISCHE ANWENDUNG

Holunderbeerensaft, Holunderbeeren und Tees aus Rinde und Blütenständen gelten als probate Hausmittel gegen Erkältung, Nieren- und Blasenleiden sowie zur Stärkung von Herz und Kreislauf und finden bis heute Anwendung (Palov 1979). Als wirksame Substanzen gelten das in hohen Konzentrationen in den Beeren vorkommende Vitamin C sowie Vitamin B, diverse Fruchtsäuren, ätherische Öle, und vor allem auch der Farbstoff Sambucyanin. Das Sambucyanin befindet sich hauptsächlich in den Schalen der Beeren und gehört zu der Gruppe der Flavonoide. Es wird angenommen, dass diese Proteine aufgrund ihrer Eigenschaft als Radikalfänger (die Fähigkeit, freie Radikale zu binden) einen signifikanten Einfluss auf die Gesundheit des Menschen haben (Hänsel 2009). Neben ihrer daraus resultierenden, antioxidativen Eigenschaften ist aber wohl auch ihre Fähigkeit, bestimmte Enzyme zu hemmen und verschiedenste Zelltypen des Immunsystems zu aktivieren, medizinisch relevant. Die beiden letzten Eigenschaften sind etwa für die entzündungshemmende Wirkung von Flavonoiden verantwortlich (Hänsel 2009).



HOLUNDER ALS NAHRUNGSMITTEL

Neben der Herstellung von Holunderblütensirup lassen sich noch weitere Köstlichkeiten aus dieser vielseitigen Pflanze herstellen. Im Folgenden untergliedert nach Pflanzenteilen:



BLÜTEN


SIRUP

Eine detaillierte Beschreibung der Herstellung eines Sirups findet Ihr hier. 
Der Sirup lässt sich natürlich auf unterschiedlichste Art und Weise weiterverarbeiten. Durch das Einkochen mit einem Geliermittel erhält man zum Beispiel ein Gelee. Mit einer Eismaschine ist es außerdem möglich, ein leckeres Holunderblütensorbet herzustellen. Schließlich sind der Fantasie bei der Verwendung von Holunderblütensirup als Zutat beim Kochen sowie beim Mixen von Drinks natürlich keine Grenzen gesetzt.




SEKT

Im Allgemeinen wird unter der Bezeichnung Holunderblütensekt ein Mischgetränk aus Sekt und einem Schuss Holunderblütensirup verstanden. 
Es ist allerdings auch möglich, aus Blütensirup als Ausgangsprodukt einen Sekt herzustellen. Dazu wird der Sirup, je nach Temperatur, für ein paar Tage offen stehengelassen. Sobald die Gärung größtenteils abgeschlossen ist, wird er luftdicht verschließen und dunkel gelagert.

Hier ein Rezept zum Selbermachen und hier ein Beispiel für einen professionellen Anbieter von Holunderblütensekt.


TEE


Die ätherischen Öle mit ihren Aromakomplexen wirken leicht schweißtreibend und schleimlösend. Auch bei Magenbeschwerden wird Holunderblütentee in der Hausmedizin erfolgreich angewandt. Die getrockneten Blüten werden als Flores sambuci in Drogerien und Apotheken angeboten.


HOLLERKÜCHLE


In Pfannkuchen- oder Bierteig getauchte und anschließend fritierte oder in der Pfanne ausgebackene Holunderblütendolden werden Hollerküchle, Holunderpfannekuchen, Holunderküchle oder Hollerschöberl genannt.



BEEREN


SAFT / SIRUP


Die reifen Holunderbeeren können zu einem Saft verarbeitet werden. Dazu benutzt man am besten einen Dampfentsafter. Versetzt man den entstandenen Saft mit Zucker erhält man einen sehr geschmackvollen Sirup. Ungezuckert wird er auch Muttersaft genannt. 
Achtung: Die Kerne der Beeren enthalten einen Stoff namens Sambunigrin (nicht verwechseln mit Sambucyanin), aus welchem sich Blausäure entwickeln kann. Sambunigrin zerfällt beim Erhitzen – wenn Ihr also keinen Durchfall bekommen wollt, bitte die Beeren oder den Saft immer abkochen.




GELEE


Wie aus allen Säften kann natürlich auch aus Holunderbeerensaft durch Einkochen und unter Zugabe von Zucker und einem Geliermittel ein Gelee hergestellt werden.



STAMM


HOLUNDERRINDEN-TEE


Dieser Tee wird traditionell eingesetzt bei rheumatischen Erkrankungen und Verstopfung. Darüber hinaus gilt er als stark harntreibend, weshalb er auch zur Reinigung der Nieren Verwendung findet.


JUDASOHR

Vor allem auf den Stämmen alter, bzw. abgestorbener Holunderbäume findet sich häufig ein in Form und Konsistenz an eine Ohrmuschel erinnernden Pilz. Seinen Namen verdankt er der Legende, dass sich Judas, nachdem er Jesus verraten hat, an einem Holunderbaum erhängt haben soll. 
Unter dem Namen Chinesische Morchel oder Mu-Err-Pilz ist er in der asiatischen Küche sehr verbreitet. Im Handel wird er meist in getrockneter Form angeboten.



MYTHEN UND LEGENDEN

Um die Pflanze Holunder ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden. In deutschsprachigen und englischsprachigen Ländern sowie in Skandinavien war bis ins 19. Jahrhundert der Volksglaube an eine im Holunderbaum wohnende Frau (Ellhorn/Hollermutter, Elder Mother bzw. Hyldemoer) sehr verbreitet. Das Abbrechen eines Pflanzenteiles ohne diese Frau um Erlaubnis zu fragen, brachte großes Unglück. In der germanischen Mythologie spielte Holunder ebenfalls eine Rolle. So ist es wahrscheinlich, dass eine etymologische Verwandtschaft zwischen dem Wort „Holunder“ und der germanischen Erd- und Unterweltgöttin Hel - Hella - Holle - Holda besteht.. Sie galt als das Urbild des Guten, Fruchtbaren, Gerechten und Mütterlichen (Göttner-Abendroth 1993). Als Frau Holle taucht sie in dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm wieder auf.


Einen Teil seiner magischen Aura verdankt Holunder außerdem seiner wohl schon bis in vorgeschichtliche Zeiten zurückreichenden medizinischen Anwendungen.


Die folgende Auflistung verschiedener Anschauungen rund um den Holunder sowie von Eigenschaften, welche ihm im Laufe der Zeit zugeschrieben wurden und werden, resultiert aus persönlichen Gesprächen mit Menschen, die wir beim Pflücken von Holunderblüten getroffen haben, aus diversen Internetquellen und aus dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens von Hanns Bächtold-Stäubli.


*  Verdorrt ein Holunderbaum, zeigt das den Tod eines Familienmitgliedes an.


*  Ein Holunderbaum am Haus schützt vor bösen Geistern und Blitzschlag.


*  Das Abbrechen eines Holunderastes bringt großes Unheil.


*  Im Mittelalter herrschte die einhellige Meinung, dass Holunder mit bösem Zauber in Verbindung stehe. So galt das Holunderholz als Wohnsitz von Geistern und Gespenstern um diesen keinen Zugang zu den Häusern zu verschaffen, wurden zu jener Zeit keine Möbel aus Holunderholz hergestellt.


*  In Irland glaubten die Menschen, dass das Holz von Hexenbesen aus Holunder sein müsse, weil der Pflanze eine zwielichtige Beziehung zu Hexen und Dämonen nachgesagt wurde.


*  Der Elderstab, das Heiligtum des Todes aus Harry Potter, ist nichts anderes als ein Zauberstab aus Holunder.


*  Hollerbüsche beherbergen wohlgesinnte Hausgeister, was zu folgendem Spruch führte „Vor dem Hollerbusch muss man seinen Hut ziehen.“


*  Unter einem Holunderbusch ist man vor Schlangenbissen und Insektenstichen sicher.


*  Holunder ist ein Abwehrmittel gegen Hexen und schwarze Magie.


*  Der unangenehme Geruch des Laubes soll daher kommen, dass sich Judas an einem Holunderbaum erhängt hat.


*  Vor die Stalltür gepflanzt, bewahrt er das Vieh vor Zauberei, daher sollen auch Türriegel aus Holunderholz gemacht werden (Bächtold-Stäubli 2006).


*  Unkeuschen Mädchen steckt man in Thüringen zu Pfingsten Holunderzweige vor das Fenster (Bächtold-Stäubli 2006).


*  „Auf Johannistag blüht der Holler - da wird die Liebe noch toller“ heißt es im Thüringer Wald (Bächtold-Stäubli 2006).


*  Holderstock ist ein Kosename für die Geliebte (oder den Geliebten) (Bächtold-Stäubli 2006).


*  In Tirol besteht die Sitte, dass bei Begräbnissen dem Sarg ein Holunderkreuz, Lebelang genannt, vorangetragen wird. Wird es wieder grün, so ist der Tote selig (Bächtold-Stäubli 2006).


*  Als Todesvorzeichen (für ein Familienmitglied) gilt, wenn ein Holunderbaum zur gleichen Zeit Blüten und Beeren trägt (Mittelschlesien) (Bächtold-Stäubli 2006).


*  „Wenn man sich unter einen blühenden Holunder legt, ist man bis zum anderen Morgen tot.“ Hier findet sich ein vielleicht etwas übertriebener Ausdruck für die Tatsache, dass der starke Duft des Holunders auf die Dauer Kopfschmerzen verursachen kann (Bächtold Stäubli 2006).


*  Wenn Holunder Blüte und Frucht zugleich trägt, ist ein strenger Nachwinter zu erwarten (Bächtold-Stäubli 2006).


*  Besonders eignet sich Holunder zum „Übertragen“ von Krankheiten. Gegen Fieber bindet man in der Nacht bei abnehmenden Mond einen Bindfaden um einen Holunder, der auf der Scheid (Grenze) steht, und spricht: "Guten Morgen, Herr Flieder – Ich bringe dir mein Fieber – ich binde dich an – Nun gehe ich in Gottes Namen davon" (Bächtold-Stäubli 2006).


*  In Österreich und Süddeutschland wurden Hautkrankheiten des Viehs durch einen Sympathiezauber mit Holunder behandelt. Dazu wurden bei Sonnenuntergang drei Triebe des Holunders abgebrochen. Dabei rief man den Namen des kranken Tiers. Die Holundertriebe hängte man in den Kamin und liess sie verdorren. Sobald die Triebe verdorrt waren, sollte auch die Hautkrankheit geheilt sein (Marbach 2011).


*  An die Zweige des Holunders wurden früher eitrige Wundverbände gehängt, in der Hoffnung, dass der Holunder die Krankheit in die Unterwelt ableiten würde (Marbach 2011).


*  Junge Mädchen schüttelten am 3. Juli, dem Thomas-Tag, einen Holunderbusch während des Abendläutens kräftig durch. Die Richtung aus der der nächste Hund bellte, sei auch die Richtung aus der der spätere Ehemann des Mädchens kommen würde (Marbach 2011).


*  In Schweden heisst es, dass man den Elfenkönig und sein Gefolge sehen kann, wenn man sich bei Sonnenuntergang in der Mittsommernacht unter einen Holunderbaum setzt. (Marbach 2011).


*  In Nordeuropa wurden Verstorbene noch vor gar nicht allzu langer Zeit auf Holunderzweige gebettet (Marbach 2011).





QUELLEN


Aichele, D. und  H.-W. Schwegler (2004): Die Blütenpflanzen Mitteleuropas.Verlag Franckh- Kosmos, Stuttgart.

Bächtold-Stäubli, H. (Hrsg.) (2006): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. W. de Gruyter, Berlin.

Fukarek, F. (Hrsg.) (2000): Die große farbige Enzyklopädie Urania-Pflanzenreich. Verlag Urania, Freiburg.

Göttner-Abendroth, H. (1993): Die Göttin und ihr Heros. Frauenoffensive, München.

Hänsel, O., Sticher O. (Hrsg.) (2009): Pharmakognosie. Phytopharmazie. Springer, Heidelberg.

Marbach, E. (2011): Holunder – Magische Verwendung. 

(http://heilkraeuter.de/lexikon/holunder/magie.htm, 24.10.2011)

Palow, M. (1979): Das große Buch der Heilpflanzen. Weltbild, München.

Pirc, H. (2004): Bäume von A- Z: Erkennen und verwenden. Ulmer, Stuttgart.

Schütt, P. (Hrsg.) (2006): Enzyklopädie der Sträucher. Nikol, Hamburg.



WEITERFÜHRENDE LITERATUR


Bühring, U. (2007): Alles über Heilpflanzen. Ulmer, Stuttgart: S. 122ff.

Chevallier, A. (1998): Enzyklopädie der Heilpflanzen. BLV, München.

Fleischhauer, S. F. (2003): Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen. AT Verlag, München: S.302-303.

Mayer, E. (2001): Wildfrüchte, - gemüse, -kräuter. Leopold Stocker Verlag, Stuttgart: S.77ff.

Recht, C. und M. F. Wetterwald (2002): Ernte am Wegrand. Ulmer, Stuttgart: S.75ff.

Wichtl, M. (Hrsg.) (1989): Teedrogen. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. Wiss. Verl.-Ges. Stuttgart: S.239ff.